"Ich gegen mich" lautet der Titel ihres aktuellen Albums, einerseits nat?rlich ein Grund zur Freude, dass diese CD nach einigen Jahren Arbeit endlich ver?ffentlicht wurde. Andererseits musste die hoffnungsvolle deutschsprachige K?nstlerin auch erfahren, dass das Pop-Business aus Oberfl?chlichkeiten, einem Mangel an Mut zum Risiko und zu vielen Kompromissen besteht, die einer K?nstlerin Grenzen setzen, die f?r die Kunst selten von Vorteil sind.
Alexa Phazer im Gespr?ch mit Dennis Rowehl ?ber die aktuelle CD, die Irrungen und Wirrungen des Pops und ?ber die Zukunft der Musik.
D.R.: Dein Deb?talbum "Ich gegen mich" ist seit geraumer Zeit auf dem Markt. Dabei f?llt auf, dass die Texte eine zentrale Rolle spielen und ernste Themen betreffen. Was kannst Du dar?ber berichten?
Alexa: Das ist richtig, in den Texten geht es um Kindesmissbrauch, Selbstzerst?rung und bei "Stalkerin" handelt es sich um einen autobiographischen Text. Es ging darum, bestimmte Erlebnisse somit zu verarbeiten. Bei diesem Song habe ich versucht, mich in die Rolle einer Stalkerin hineinzuversetzen, um bestimmte Verhaltensweisen nachvollziehen zu k?nnen.
D.R.: "Ich gegen mich", das h?rt sich nach Selbstkritik an. Wie kommt es zu einem derartigen Titel?
Alexa: Ich bin mein bester Freund und mein gr??ter Feind in einer Person. Es gibt Momente, in denen ich mich mag und nat?rlich auch Momente, in denen mir beim Blick in den Spiegel nicht gef?llt, was ich sehe. Das, denke ich, spielt aber eine gro?e Rolle, wenn man sich als Musikerin und Mensch weiterentwickeln m?chte. Ich bin grunds?tzlich ein kritischer Mensch und das schlie?t mich nat?rlich mit ein.
D.R.: Trotz der Ver?ffentlichung des Albums scheinst Du nicht ganz gl?cklich zu sein?
Alexa: Das ist richtig, es gab und gibt eine Menge Unstimmigkeiten mit dem Label, die ich aber nicht im Einzelnen auff?hren m?chte. Es begann bereits mit der Wahl f?r die Singleauskopplung und den entsprechenden Mangel an Mitspracherecht. Ich h?tte gerne "Stalkerin" als Single ausgekoppelt und damit mehr riskiert. Meine Texte provozieren und passen sich nicht dem typischen Pop-Klischee an. Auch sonst kamen einige Aspekte zusammen und es endet damit, dass das Label und ich in Zukunft getrennte Wege gehen werden und dass leider keine Tournee zustande kommt, was mich pers?nlich am meisten ?rgert.
D.R.: Was bedeutet das f?r Deine musikalische Zukunft.
Alexa: Mein Ziel ist, neue Songs zu schreiben und diese nur mit Klavier und meiner Stimme aufzunehmen. Weiteres wird sich dann zeigen und einen guten Produzenten habe ich ja. Vielleicht gibt es einen Vertrag mit einem neuen Label oder ich vermarkte mich selbst. Fest steht, dass ich beim n?chsten Mal keine Kompromisse mehr eingehen werde und genau das machen werde, was ich will. Wenn man sich s?mtliche Rechte bei der Unterzeichnung eines Plattenvertrages aus der Hand gibt, bleiben einem leider nicht mehr viele M?glichkeiten zur k?nstlerischen Entfaltung. Bei der n?chsten CD wird sich das grundlegend ?ndern. Ich denke, es ist entscheidend, dass man seine Musik authentisch vertritt und sich nicht irgendwelchen Kompromissen unterwirft. Es gibt f?r jeden ein Platz, den man sich suchen muss und die Fans werden erkennen, dass man es mit der eigenen Musik ernst meint.
D.R.: Wie sind Deine Erfahrungen mit dem Radio?
Alexa: Ich kann leider nicht behaupten, dass mich die klassischen Radiosender lieben. Die Texte sind wohl zu provokativ und dann auch noch auf Deutsch. Im Grunde wird immer dasselbe gespielt und f?r andere Musikrichtungen oder Facetten jenseits des Tellerrandes bleibt da offensichtlich kein Platz.
D.R.: Die Texte sind in Deiner Musik besonders wichtig und man muss sich nat?rlich ein wenig l?nger mit ihnen auseinandersetzen. Ist es in der klassischen Popmusik ein Problem, dass viele Mainstream-H?rer Musik einfach zu oberfl?chlich h?ren bzw. das Radio den H?rern eine Tiefgr?ndigkeit abspricht und somit die Zuh?rer nicht "?berfordert", indem immer wieder das gespielt wird, was man sowieso schon kennt?
Alexa: Das ist f?r mich nat?rlich schwer zu sagen. Es ist ?hnlich wie die Frage, was zuerst da war: Das Huhn oder das Ei. Die Frage ist hier, ob die Radiostationen immer dasselbe spielen, weil das Publikum danach verlangt oder ob das Publikum danach verlangt, weil nichts anderes gespielt wird. Allein in Deutschland gibt es nur wenige K?nstler wie Herbert Gr?nemeyer, die permanent gespielt werden und richtig gute Bands wie Rammstein finden nur sehr selten den Weg in die Sendungen. Und dabei gibt es so viele richtig gute Bands, die aber nie gespielt werden und somit auch keine Chance bekommen. Und die Labels springen auf diesen Zug auf und ver?ffentlichend die so genannten Radio tauglichen Songs, die eventuell gespielt werden, aber eigentlich nicht mehr den K?nstler repr?sentieren. Es fehlt einfach der Mut zum Risiko, einfach mal etwas anderes zu wagen und unkonventionelle Musik zu pr?sentieren.
D.R.: Wie beurteilst Du die Leute, die sich bei Casting-Shows bewerben?
Alexa: Warum sollten sie es nicht versuchen? Es ist ein schnellerer Weg zum Rampenlicht. Problematisch ist nat?rlich, dass diese Stars in der Regel nur solange halten, bis der n?chste kommt. Es findet leider grunds?tzlich kein wirkliches Artist-Development mehr statt. Man setzt auf die bew?hrten Stars oder Casting-Newcomer f?r eine befristete Zeit und dr?ckt ihnen ein Stempel auf. Einzige Ausnahme ist da vielleicht das Casting bei Raab, denn dort k?nnen sich die S?nger die Titel zumindest selbst ausw?hlen, was zu ihnen passt. Also, wenn K?nstler nicht mehr aufgebaut werden und das singen m?ssen, was ihnen vorgegeben wird, leidet nat?rlich die Qualit?t darunter. Das ist nicht die Schuld der K?nstler, sondern die der meisten Labels und Radiostationen.
D.R.: Als Ergebnis erhalten wir dann einen Einheitsbrei.
Alexa: Richtig. Ich meine, in jedem Jahrzehnt gab es neue Richtungen, die f?r sich standen und eine Aussagekraft hatten: Punk, Elektro, New Wave, Metal. Alle Richtungen hatten ihren eigenen Style. Das gibt es kaum noch und zieht sich durch die gesamte Gesellschaft: Musik, Mode und so weiter. Vielleicht ist die Gesellschaft zu oberfl?chlich geworden und nimmt sich zu wenig Zeit. Zu wenig Zeit, sich z. B. mit einem Album richtig auseinanderzusetzen. Ein richtig gutes Album ist es doch erst, wenn man beim vierten H?ren immer noch etwas Neues entdeckt - und nicht, wenn man es dann schon auswendig kennt. Das ist doch langweilig.
Wie gesagt, es fehlt oftmals der Mut zum Risiko, so zu sein, wie man wirklich ist - oder einfach, Stellung zu beziehen, ob musikalisch, politisch oder in der Mode. Punk zum Beispiel war eine Lebenseinstellung. L?uft heutzutage jemand mit einer Irokesenfrisur herum, soll das weniger einen Standpunkt ausdr?cken, sondern modisch hip aussehen.
D.R.: Da fallen mir spontan die so genannten autonomen Globalisierungsgegner ein, die sich nach der Demo bei McDonalds treffen -
Alexa: (l?chelnd) Ja. Zum Beispiel.
D.R.: Welche Musik inspiriert Dich bei Deinen Songs bzw. was h?rst Du gerne?
Alexa: Da bin ich flexibel. Ich mag originelle Songwriter, Prince, Rammstein, sogar Slipknot. Diese Bands haben viel gewagt. Wenn sie im Mainstream mitgeschwommen w?ren, h?tten sie kaum einen derartigen Erfolg gehabt.
D.R.: Was glaubst Du, was Dich von der Vielzahl an Songwritern unterscheidet.
Alexa: Ich habe eine Stimme mit einem hohen Wiedererkennungswert und meine Stimme polarisiert sehr stark. Entweder man mag sie oder nicht, aber man erkennt sie.
D.R.: Kommen wir noch einmal auf Deine Musikkarriere zu sprechen. Was ist die gr??te Chance, als K?nstlerin ohne Plattenfirma zu arbeiten. Oder wirst Du vielleicht Deine eigene Plattenfirma gr?nden?
Alexa: Wer wei?. Wichtig ist f?r mich nach meinen Erfahrungen, meinen Stil durchzuziehen - und zwar ohne Kompromisse. Durch das Internet haben sich im Musikbereich viele neue M?glichkeiten ergeben. Wir stehen vor einer neuen ?ra mit vielen guten Bands, die in der Warteschleife stehen, und insbesondere in Deutschland werden die alteingesessenen K?nstler allm?hlich aussterben. Irgendwann m?ssen neue K?nstler aufgebaut werden - sonst bauen sich die K?nstler selbst auf.
D.R.: Deine Fotos auf dem Cover sind sehr stylisch-modisch. Mit einer Songwriterin a la Tori Amos assoziiert man eher ein abgefahrenes Outfit. K?nnte sich dieses Schubladendenken bzw. die Erwartungshaltung eines konventionellen Musikh?rers als problematisch erweisen?
Alexa: Ich hoffe doch nicht. Leider beurteilen wir die Mitmenschen zu schnell nach dem ?u?eren. Du h?ttest bei mir ja auch nicht unbedingt erwartet, dass mir auch Slipknot gef?llt, oder? Ein englischer Freund von mir hat dieses Problem mit dem englischen Wort "assume" deutlich gemacht. Man nimmt etwas von einer anderen Person an, wie sie ist und dadurch wird das Verh?ltnis der beiden beeintr?chtigt, ohne dass sie einander wirklich kennen. Trenne assume in ass, u & me - you make an ass out of you and me. Man sollte sich nicht vom ?u?eren blenden lassen.
D.R.: Gibt es denn bereits Ideen, wie Du das Artwork gestalten w?rdest?
Alexa: Viele unterschiedliche Bilder von mir und meinem Klavier, das sagt am meisten ?ber mich aus.
D.R.: Vielen Dank soweit, wir behalten Dich im Auge (lachend)
Alexa: Das will ich doch hoffen :- )
Weitere Infos:
https://www.myspace.com/alexaphazerhttps://autona.com/iv-alexa-phazer.html